Sonntag, 18. Februar 2018

Die ultimative Ernährung bei Morbus Crohn...

...gibt es nicht. Oder zumindest habe ich sie seit meiner Diagnose vor über drei Jahren noch nicht gefunden. Dabei dachte ich, dass es doch rein logisch gesehen so viel Sinn macht: das Organ, durch das unsere Nahrung fließt, müsste sich doch wohl durch die richtige Ernährung milde stimmen, beruhigen, vielleicht sogar heilen lassen... Ich habe also Ernährungs- und Stuhlprotokolle sowie -tagebücher geschrieben. Ich habe zeitweise keinen Alkohol getrunken, keinen Zucker, kein Fleisch gegessen. Ich habe zwei Mal am Tag zwei große Portionen gegessen, sieben Mal am Tag kleine Portionen. Ich habe mich nur flüssig ernährt. Ich hab Paleo, mediterrane Vollkost, SCD und FODMAP ausprobiert. Und sicher noch einiges, was ich inzwischen verdrängt habe. Mit genau 0 Erfolg. Was ich aus diesen unzähligen Versuchen gelernt habe ist, dass mein Darm Extreme, die auf allgemeinen, nicht immer wissenschaftlich abgesicherten, Regeln basieren, überhaupt gar nicht schätzt. Alles ist immer ein Ausprobieren und Riskieren, was übrigens auch zur Forschungslage passt: Studien bestätigen zwar, dass schlechte Ernährung nicht für einen Ausbruch der Krankheit verantwortlich ist, ebenso aber auch, dass gute Ernährung nicht unbedingt für eine Verbesserung der Situation sorgt, wenn man im Schub ist (das ist in der schubfreien Zeit wohl mitunter anders). 
Das einzige also, was ich, auch weil ich in den Jahren so gut wie nie schubfrei war, herausgefunden habe, ist, dass Trinken (auch inzwischen gerne in Form von Trinknahrung, z.B. Fresubin) vorübergehend manchmal die beste und für mich entspannteste Lösung ist. Auch Babygläschen können entspannende Begleiter sein. Darüberhinaus habe ich festgestellt, dass die Nahrung nicht zu hart, nicht zu flüssig, nicht zu kalt oder heiß, zu süß oder sauer, nicht frittiert oder geräuchert sein sollte. Dazu gut kauen, im Sitzen und langsam essen, nicht zu viel zum Essen trinken. Ach ja, und die Portionen sollten nicht zu groß sein, vielleicht so zwei Handvoll und dafür öfter, so alle drei bis vier Stunden. Wobei das schon wieder so ne Sache ist. Manchmal ist auch zwei Mal am Tag schon öfter und lange Pausen zwischen den "Mahlzeiten" genau das Richtige. So ist das, was ich bisher herausgefunden habe, mehr als nichts, aber trotzdem immernoch nicht so richtig viel...und an manchen Tagen geht es mir auf die Nerven. Aber trotzdem stelle ich immer wieder Rezepte auf diesen Blog. Wie passt das zusammen?

Zum einen esse ich trotz allem immernoch gerne. Ich weiß, dass das bei anderen anders ist und auch ich habe Phasen, in denen ich nur das Allernötigste zu mir nehme, aus Angst davor, wann und wie es wieder rauskommen mag. Aber grundsätzlich ist mein Überlebensinstinkt scheinbar stärker und mein Wunsch nach Genuss sowieso. Und wenn es lecker ist und sich im Mund gut anfühlt, dann ist das ja auch schon was. Um euch mal einen Eindruck zu geben, wie so mein Essen im Alltag aussieht, und vielleicht ein paar Ideen für euren eigenen Essalltag, besonders im Schub, zu liefern, fange ich mal morgens an. Die meisten Rezepte findet ihr in den Links.

Frühstück
Wenn ich morgens mit unglaublich vielen Medikamenten und der entsprechenden Flüssigkeit dazu in den Tag gestartet bin, bin ich erstmal satt. Auch deswegen frühstücke ich meistens sehr spät (also ich meine wirklich sehr spät! Oft erst, wenn ich von der Arbeit nach Hause komme, denn danach muss ich mit einer längeren Toilettensession rechnen, die sich eh nicht gut mit meiner Arbeit vereinbaren ließe). Trotzdem ist es für mich als erste kleine Mahlzeit das Früh- bzw. Spätstück, das ich zusammen mit einem Tee oder Kaffee genieße, z.B.:
- ein Brei, z.B. Porridge aus glutenfreien Haferflocken, Hirsebrei (Hot Hirse von Bauck), Frühstücksbrei (z.B. von Alnavit). Ein bisschen Ahornsirup darüber ist ein Muss und je nach Laune und Abenteuerlust (ihr kennt das: no risk, no fun!) vielleicht noch ein paar fein geriebene Mandeln oder Nussbutter (mit viel Vitamin B), kleines Obst (z.B. TK-Beeren), Kakaonibs (mit viel Eiweiß), Zimt, Kurkuma (antientzündlich) und Pfeffer. 
- Rührei, Omelet oder weich gekochte Eier, pur oder z.B. mit ein paar Kräutern oder Schafs-/ Ziegenkäse (Calcium).
Beiden Frühstücksvarianten gemein ist, dass sie warm, aber nicht heiß und weich aber nicht flüssig sind. Hart gekochtes Ei, Wurst, Brötchen, Suppe, Corn Flakes waren übrigens alles Dinge, von denen ich bei jedem Versuch bisher starke Bauchweh und Krämpfe bekommen habe. Und das ist für mich schlimmer als mehrfach auf die Toilette zu rennen. Aber vielleicht ist es bei euch anders?! Hier sind deswegen weitere Anregungen: Frühstückchen

Mittagessen
Mittag esse ich oft so drei bis vier Stunden nach meinem Frühstück. Dann nehme ich z.B. folgendes zu mir:
- Rührei, Omelet, wenn ich das nicht schon zum Frühstück hatte. Es liefert so viele Nährstoffe und Eiweiß, dass ich an den meisten Tagen inzwischen zwei Eier esse. 
-  Süßkartoffeln, z.B. mit Soja-Kräuterquark (selbst gemacht, z.B. mit "Go on" von Alpro, Salz und ein paar Kräutern) mache ich mir regelmäßig, besonders seit ich auch normale Kartoffeln (Vitamin B, Kalium, Calcium, Magnesium) wieder besser vertrage.
- Eintöpfe oder Suppen, die ich auch auf den Blog gestellt habe, koch ich oft vor und löffle mich damit durch die Woche. Mit Süßkartoffeln, geschälter Paprika, Möhren, Zucchini...kurzum, mit mildem Gemüse und manchmal auch schwarzen oder weißen Bohnen (Eiweiß, Vitamin A und B) aus der Dose, die ich kurioserweise oft, im Gegensatz zu allen anderen Hülsenfrüchten oder grünen Bohnen, vertrage. Das ist praktisch, weil ich nicht jeden Tag nochmal extra was kochen muss. 
- Als Toppings je nach Tagesform: Ziegenfrischkäse, Kokosjoghurt, Kräuter, Garnelen, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne (Eiweiß, gesunde Fette), Avocado, gekochter Reis, Leinöl etc. 
Abendessen
Da ich meistens mit meinem Freund esse, gestaltet sich das Abendessen nicht ganz so supereinfach. Denn einerseits ist es mir unglaublich wichtig, das gemeinsame Essen beizubehalten, schließlich ist Essen nicht nur Nährstoffaufnahme, andererseits muss ich, zumindest an Abenden, an denen ich nicht nur Kartoffeln mit Butter esse oder trinke, auch hier genau überlegen, was für mich (nicht) geht und was er trotzdem mag. Auf Süßkartoffeln, die ja bei mir immer gehen und die ich auch immernoch gerne mag (und die auch noch viel Betacarotin und Kalium liefern und gut für einen stabilen Blutzuckerspiegel sind), reagierte mein Freund zuerst mit den Worten, dass er "irgendwie nicht so viel Hunger" hätte und dann mit "schmeckt interessant". Es hat etwas gebraucht, bis ich das in "igitt!" übersetzt habe:) Also gibt es z.B. folgende Dinge, wenn wir zusammen essen:
- Kartoffeln, mit Meersalz und Olivenöl geröstetes Gemüse, z.B. Brokkoli und gedünsteter, nur mit ein wenig Senf bestrichener Fisch aus dem Ofen
- Wurzelgemüse, z.B. mit Guacamole oder einem anderen Dipp
- manche der oben genannten Eintöpfe, z.B. Kartoffelcurry
Quiche
- Nudeln, z.B. auch aus Reis oder Buchweizen mit selbst gemachtem Pesto (z.B. aus Walnüssen, Basilikum, Olivenöl, Meersalz, Hefeflocken), drunter gerührtem Spinat, Erbsen (und Hefeflocken) oder mit Fleischbällchen
- Möhren-Fenchel Risotto mit Hefeflocken (statt Parmesan) und Gemüsebrühe (statt Weißwein) und Feta oder Fisch (z.B. auch Kabeljau, in Olivenöl und Rosmarin gewendet und mit einer Scheibe Schinken umwickelt, dann im Ofen 10 Minuten gegart)
- Kartoffel-Lachs-"Gulasch"
- Tomatensuppe
Vietnamesische Pho
Die meisten Hülsenfrüchte und Kohlsorten vertrage ich leider nicht. Ebenso wie Quinoa seitdem der Crohn auch in Speiseröhre und Magen war...eigentlich gilt das für alles, was sich grisselig im Mund anfühlt. Fleisch geht gerade auch nur bedingt und mittags besser als abends. Abends in Form von Rindfleisch, geschmolzenen Käse oder Sojasahne gegessen, richte ich nachts Schweißbäder an, die dazu führen, dass ich mich mehrfach um- und ggfs. mein Bett beziehen muss. Eiweiß ist zwar gesund, aber halt nicht leicht verdaulich. 

Snacks
Ich versuche die letzte Mahlzeit ca. vier Stunden vorm Schlafengehen zu mir zu nehmen, damit mein Magen-Darmtrakt nachts einigermaßen seine Ruhe hat. Halte ich mich nicht daran, schlafe ich unruhiger, weil ich dann noch häufiger, bis zu sechs oder sieben Mal, auf Toilette muss. An manchen Tagen habe ich aber tagsüber doch noch Hunger. Dann esse/ trinke ich z.B.:
- dunkle Schokolade (die aber nicht immer geht)
-  einen Shake oder Fresubin
- Hähnchenbrust
- Ziegenkäse, frische Dattel mit Ziegenrahm
- ein Löffel Nussbutter
- ein Energy Ball
- Kokosjoghurt
- ein Babygläschen
- Maiswaffeln oder selbst gemachte Müsliriegel sind mir an manchen Tagen sehr willkommen (allerdings zugegebenermaßen z.Zt. nicht oft)

Und sonst so?
Insgesamt versuche ich viele gesunde Fette, wie Leinöl, Rapsöl und Kokosöl zu mir zu nehmen. Mein Prof hat mir das so erklärt, dass ein gutes Verhältnis von Omega 3 zu Omega 6-Fettsäuren dass Immunsystem unterstützt und somit entzündungslindernd wirken kann. Außerdem wurde mir immer wieder gesagt, dass ich genügend Eiweiß, pflanzlich wie tierisch, essen soll, da ich durch die Krankheitsaktivität genau wie durch das viele Cortison einen erhöhten Bedarf daran habe. Schweinefleisch lasse ich allerdings weitestgehend weg, genau wie Zucker, da beides Entzündungen fördern kann...wobei ich mich daran jetzt, zum Ende des Winters, nicht immer halte und manchmal die gute Kinderschokolade oder Yoghurette sehr schätze. Auch Kohlensäure lasse ich auf Geheiß meiner Ärzte, weil sie die Darmschleimhaut reizen soll, aber auch, weil es mir danach einfach schlecht geht, weg. Ich versuche darüber hinaus weitestgehend auf Fertigprodukte zu verzichten, da in ihnen häufig   z.B.  Emulgatoren sind. Bestimmte Emulgatoren stehen seit einiger Zeit im Verdacht, Darmentzündungen zu provozieren...das bestätigt mein Gefühl, dass es mir in der Vergangenheit nicht ohne Grund immer wieder nach bestimmtem Fertigzeug schlecht ging und ich halte mich weitestgehend an den Satz: Iss nix, was deine Omma nicht kennen würde! Übrigens ist das auch der Grund, weshalb ich von den meisten glutenfreien Ersatzprodukten inzwischen die Finger lasse: vieles vertrage ich einfach nicht und ein Blick auf die Zutatenlisten sagt mir auch warum. Warum ich glutenfrei esse, muss ich wahrscheinlich hier nicht mehr groß erwähnen. Wer Zöliakie hat, muss das lebenslang tun. 

Schwieriger ist es für mich auf Kuhmilch zu verzichten. Ich war immer eine große Käseesserin und Cappuccinotrinkerin, habe allerdings festgestellt, dass ich Kuhmilchprodukte nur in kleinen Mengen tolerieren kann. Sonst gibt es Durchfall, Bauchweh, Krämpfe. Und es liegt an der Kuhmilch, denn Produkte aus Ziegen- oder Schafsmilch vertrage ich und der Laktoseintoleranztest war im übrigen auch negativ. Aber mir wurde von Arztseite auch gesagt, dass es im Schub typisch ist, dass man Laktose und/oder Kuhmilch nicht verträgt. Also, was soll's?! Andere Arten von Milch, besonders auch die große Auswahl an leckerster Pflanzenmilch (z.B. von dm, alnatura, dennree), lassen mich das echt manchmal vergessen. 

Anders ist es mit der Fruktose. Ein Fruktoseintoleranztest hat damals deutlich angezeigt und ich habe eine ganze Weile gar keinen Fruchtzucker mehr zu mir genommen (in der so genannten Karenzzeit). Im Krankenhaus letztes Jahr wurde mir dann aber gesagt, dass ich langsam mal ausprobieren sollte, was ich vielleicht in kleinen Mengen und idealerweise mit Protein kombiniert vertrage. Und siehe da, ein paar Dinge gehen manchmal: Beeren und Bananen (wusste ich schon), aber auch Apfelmus, Datteln, Mango, getrocknete Kirschen. Klein geschnittener Apfel, Rosinen, Birne hingegen sorgen für eine völlig andere Tagesplanung und sind nach wie vor als vogelfrei in meiner Küche ausgerufen. 

Wer sich jetzt fragt, ob ich sie noch alle hab und ob ich mich auch noch mit was beschäftige, was nix mit Essen zu tun hat, dem sei gesagt: ja und ja. Ein Leben mit Zöliakie und schwerem Crohn, mit Fruktoseintoleranz und Kuhmilchunverträglichkeit ist manchmal ein ganz schöner Akt an Logistik, aber es ist machbar, ohne dass man nur zuhause rumhängt und an nichts anderes mehr denkt. Und ich hoffe, es ist auch klar geworden, dass ich immer wieder Dinge ausprobiere und schaue, was sich ändert; Veränderungen und Ausnahmen gehören absolut zu meinem Ernährungsplan dazu. Gute gemeinte aber mich stressende Tipps anderer bezüglich einer "richtigen" Ernährung, haben in meinem Ernährungsalltag allerdings keinen Platz mehr. Denn nur ich weiß, wie es mir geht und was mein Darm gerade macht. Und fragt mich nicht warum, eins habe ich festgestellt: wenn nix mehr geht, dann geht fast immer noch TK-Pizza...


In diesem Sinne, viel Spaß beim Ausprobieren und denkt dran: it goes on!
Josie