Montag, 26. März 2018

Der Weg ist das Ziel...besonders, wenn man ein bisschen Glitzer drüberstreut

Puuuh, es ist nicht immer einfach mit einer chronische Erkrankung zu leben. Besonders in so einem Winter, in dem dann noch einiges an akuten Sachen hinzukommt. In den letzten Monaten hieß es deshalb für mich oft krank melden und einfach hinlegen, schlafen, dösen, fernsehen. Aber auch die beste Serie ist irgendwann mal zu Ende und auch die bequemste Abhängphase kann nicht ewig so weitergehen...auch, wenn man sich noch nicht fit fühlt und man merkt, dass man einiges an Gewicht und Kraft verloren hat.

Und so ist es wie immer: mit kleinen Schritten zum Ziel. Schneckig quasi. Und immer wieder aufs Neue, denn wer oft krank und/ oder chronisch erkrankt ist, der weiß wie nervig dieses immer wieder rankämpfen sein kann. So habe ich auch in den letzten Monaten immer wieder gemeckert, konnte meine vier Wände nicht mehr sehen und war manchmal wütend...und habe diese Kraft als Ventil genutzt, um wieder auf die Beine zu kommen. Aber wie genau? Was soll man tun, wenn man wieder fit und gesellschaftsfähig werden will, aber man einfach noch super kaputt ist? Ich habe meine "Schritte" einfach mal aufgeschrieben:

1. Ich habe Schuhe gekauft, in diesem Fall Glitzerschuhe:) Die habe ich mir, noch liegend und ausnahmsweise im Internet, bestellt. Quasi als Motivationsschub neben meinem Bett. Denn auch wenn der Weg das Ziel ist, ohne (Glitzer-)Schuhe geht man ihn, zumindest in diesen Breitengeraden, ja nur halb so beschwingt.

2. Dann führte  ich mir bildlich vor Augen, was ich als erstes tun wollte: z.B. die Treppe rauf- und runtergehen, zum Briefkasten, bis zur Straßenecke. Egal wie klein der Anfang ist, es ist doch ein Anfang! Dabei hilft mir auch immer, mich daran zu erinnern, wie gut die Bewegung schon mal getan hat.

2. Es dauerte ein paar Tage, bis ich den Plan umsetzte. Aber ich warte normalerweise nicht zu lange damit. Ich finde immer, es ist schlimmer und unbefriedigender nichts zu versuchen, als evtl. beim ersten Mal früher als gehofft abzubrechen.

3. Am Anfang sind die Pausen wichtiger und länger als die Bewegung. Und das ist völlig in Ordnung! Also wieder ein bisschen dösen, schlafen und viel Wasser oder Tee trinken...Aber der Anfang ist gemacht...und beim nächsten Mal werden es sicher wieder ein paar Schritte mehr.

4. Den Schlafanzug tauschte ich wieder gegen den Jogginganzug und der Fernseher blieb wieder häufiger aus. Stattdessen las ich oder telefonierte mal wieder mit Freundinnen und versuchte meinen Geist ein bisschen zu animieren:)

5.Ich startete mit Aufgaben im Haushalt, die ich ggfs. in kleinere runterbrach: die Küche aufzuräumen hörte sich am Anfang nicht machbar an. Aber die Arbeitsflächen nach und nach zu wischen, die Spülmaschine ein- und auszuräumen, zu saugen, waren als einzelne Aufgaben, mit Pausen zwischendurch, zu machen (im Zweifel mit einer meiner to do-Listen).

5. Und so steigerte ich das Pensum langsam und begann auch wieder mit ein paar vorsichtigen Yogaübungen: ruhig atmen, ein paar Mal Katze-Kuh oder im "Halbmond" etwas dehnen? Anfangs sah es mehr danach aus, dass ich mich auf meiner Matte hin- und herrollte als nach echten Übungen. Aber auch das tat schon gut und zeigte meinem Körper die richtige Richtung an.

6. Nicht zuletzt versuchte ich wieder etwas mehr und festere Nahrung zu mir zu nehmen, damit ich nicht wegen fehlender Nährstoffe oder Kalorien zu schlappi war. Das ist nicht einfach und ich kämpfe damit noch immer. Es ist aber trotzdem wichtig.

7. Und dann gibt es immer wieder Tage, an denen ich mich zu schlecht für irgendwas fühle oder mir alles nicht schnell genug geht. Dann versuche ich meinen Frust in meinem neuen Bullet Journal abzulassen und tief durchzuatmen. Geduld ist wichtig, aber Wut als Katalysator, um voran zu kommen, manchmal auch! Also, nicht unterdrücken, sondern als Hilfe annehmen. Und an solchen Tagen hilft vielleicht auch ein bisschen mehr self-care, Selbstfürsorge: baden, lesen, gut durchlüften, ein leckerer Kaffee, eine Gesichtsmaske, ein Bauchwickel, ein gutes Gespräch oder vielleicht doch einfach mehr Schlaf.

Vielleicht hilft es euch, wie mir, wenn ihr meine Liste seht. Vielleicht habt ihr aber auch andere gute Ideen und Pläne, um euch aus einem Tief wieder herauszuholen, egal ob mit oder ohne Glitzer. Ich bin gespannt !

So long and take care,
Josie


Montag, 12. März 2018

Mit dem schlechten Gewissen im Gedankenkarussell

"Es tut mir so leid, aber ich muss mich schon wieder krank melden."

"Oh nein, das Telefon klingelt, aber ich mag gar nicht telefonieren."

"Sorry, aber könntest du mir ein paar Flaschen Wasser mitbringen?"

"Ich brauche meine Medikamente, könntest du sie mir später holen?"

So oder ähnlich äußerte ich mich in den letzten Wochen des öfteren. Mit dem Crohn ist es zur Zeit eh nicht so einfach, auch weil der Schub so langsam zu einem Endlosschub zu werden scheint. Da fehlte es mir gerade noch, dass ich vor Weihnachten den ersten Infekt bekam, der dann alles mögliche nach sich zog: Stirnhöhlenvereiterung, Grippe, Norovirus, Blasenentzündung...you name it, I had it. Zwischendurch ging es mir immer wieder ein paar Tage besser, ich ging arbeiten und das nächste flog mich an. Nach ein paar Tagen des Durchbeißens musste ich dann immer wieder klein bei geben und mich krank melden. Dabei wurde ein Gefühl immer stärker: das schlechte Gewissen. Es war mir sooo unangenehm, immer wieder bei meinem Arbeitgeber anzurufen und mich krank melden zu müssen. Nur die Freizeit auf Erholung zu stellen, reichte einfach nicht aus. Ich kam mir schwach und irgendwie ziemlich unnütz vor, fand es doof, dass meine Kollegen meine Arbeit mitmachen mussten. Und ja, auch wenn ich eigentlich einen sicheren Job habe, machte ich mir auch um ihn immer wieder Gedanken. Dabei ging das alles nur in meinem Kopf ab. Von außen gab es keinen Druck: weder auf der Arbeit noch privat äußerte sich irgendwer negativ. Im Gegenteil alle wünschten gute Besserung und baten Hilfe und Besuch an.

Aber auch dafür war ich einfach zu kaputt. Besuch oder Telefonate? Um Gottes Willen, bitte nicht reden, antworten, auf andere eingehen müssen. Dabei tat es mir echt leid, weil ich meine Freundinnen zurückweisen musste. 

Als es mir endlich besser ging und ich zuversichtlich war, dass das Schlimmste vorbei wäre, holte mich der Norovirus von einer zu nächsten Minute völlig von den Beinen. 24 Stunden lang wusste ich nicht mehr, ob es zuerst oben oder unten rauskommen würde, wie ich vom Bett zum Klo kommen sollte und wie ich auch nur einen Schluck Wasser drin behalten sollte. Es war wirklich grauenhaft. Und es hat mich innerhalb kürzester Zeit so hilflos gemacht wie ein Stück Gemüse. Also musste ich mich überwinden und um Hilfe und Gefallen bitten, um wenigstens mit dem Nötigsten versorgt zu sein. Wie nervig. Und unangenehm, wenn man doch eigentlich daran gewöhnt ist, sich selbst versorgen zu können und auf niemanden angewiesen zu sein. Aber auch das spielte sich nur in meinem Kopf ab. Niemand hat gemault und mein Freund kümmerte sich klaglos, aber aufmunternd und wie immer ohne zu Murren, um alles. Und natürlich fand es auch kein Arzt komisch, mich zu versorgen, mir Infusionen zu geben und mich wieder aufzupäppeln. Warum auch? Ich fuhr mit meinem schlechten Gewissen ja alleine im Karussell.

Wem ich das erzählte, der versuchte mich zu beruhigen: es wäre doch normal, es wäre angesichts der Lage unnötig und würde bestimmt schnell wieder weggehen, weil ich doch immer so positiv sei. Aber es nagt immer wieder an mir: das schlechte Gewissen. Und ich habe überlegt, was ich denn nun eigentlich tun kann, um vielleicht vor Beendigung der Fahrt aus dem Gedankenkarussell zu springen (ohne mir dabei was zu brechen allerdings:). "Yoga machen", wäre eine schöne, einfache Antwort. Aber in den letzten Wochen konnte ich mich ja kaum bewegen, an Asanas war leider nicht zu denken. Aber "Yoga machen" ist zum Glück so viel mehr als Bewegung. Während ich auch für Meditation oft zu kaputt war, haben mir folgende, kurze Atem- und Achtsamkeitsübungen (oft im Liegen) immer wieder geholfen, das Karussell anzuhalten und in Ruhe auszusteigen. Denn eigentlich ist es egal, welche Gedanken sich drehen, sobald wir uns auf den Atem konzentrieren oder unsere Gedanken beobachten, richten wir unsere Aufmerksamkeit nicht nur in die Gegenwart, sondern nehmen wahr, dass unsere Gedanken sehr subjektiv sind und zum Glück oft nicht die Realität abbilden.

1. Atemübungen
 - Den Atem beobachten, nicht verändern oder lenken, z.B. indem ich ihm folge, wie er kühl durch meine Nase einströmt und warm wieder rauskommt; wie er an manchen Stellen deutlich, an anderen nicht zu spüren ist; wie er flach, schnell, tief, langsam ein- und ausströmt. 
- Bis 10 zählen und rückwärts zurück bis 0. Beliebig häufig. 
- Ausatmen, dann das rechte Nasenloch mit dem Daumen der rechten Hand verschließen, durch links einatmen. Links mit dem Ringfinger der rechten Hand verschließen, das rechte Nasenloch öffnen und ausatmen. Einatmen, rechts verschließen, links ausatmen. Das ganze nennt sich im Yoga Nadi Shodana und soll für eine Harmonisierung der Nadis (Meridiane) sorgen, so dass sich die Gedanken beruhigen und der Körper entspannen kann.

2. Achtsamkeitsübungen (oder vielleicht doch Mini-Meditationen?!)
- Ich schließe meine Augen und versuche nichts zu tun. Das ist leichter gesagt als getan. Nicht umsonst wird im Yoga auch oft vom "Monkey Mind" gesprochen:) Aber auch hier geht es nicht darum, zu werten, sich zu zerfleischen und womöglich schon wieder ein schlechtes Gewissen zu haben, weil einem tausend Dinge im Kopf herumschwirren. Die Kunst ist, nicht jedem Gedanken hinterher zu jagen, sondern ihn ziehen zu lassen; so wie eine Wolke am Horizont weiterzieht. 
- Ich mache mir eine Kerze an und schaue durch halb geöffnete Augen auf das Licht. Sobald die Gedanken abschweifen, richte ich meine Aufmerksamkeit wieder auf die Flamme. 

3. Gedanken korrigieren
Manchmal hilft es mir aber auch, vor oder nach einer dieser Übungen ein paar rationale Argumente aufzuzählen, z.B.:
- Ich "feier" ja nicht krank. Sondern ich ruhe aus und erhole mich, weil es mir nicht gut geht und ich richtig krank bin.
- Dass ich mich gut um mich kümmere, ist wichtig. Denn nur wenn ich mich gut pflege, kann es mir besser gehen und ich Kraft tanken. Und nur wenn es mir besser geht, kann ich meinen Aufgaben nachkommen und eine gute Tochter, Freundin, Kollegin sein.
- Zumindest mein privates Umfeld weiß, dass ich MC hab und alle wissen, dass ich, wenn der besonders schlimm ist, manchmal völlig ausfalle. Wenn sie dann Hilfe anbieten oder mich besuchen wollen, machen sie das freiwillig und gerne...würde ich ja auch:)
- Tagebuch schreiben: hört sich nach 4. Klasse an, aber hilft manchmal. Denn stehen die Gedanken erstmal im Buch, hat der Kopf Ruhe:)
- Manchmal hilft es auch, einfach auf andere Gedanken zu kommen: durch schöne Musik oder eine gute Serie, z.B. Dexter oder Breaking Bad (dabei fällt mir auf: die sind ganz schön blutrünstig:). Aber eurer Fantasie sind ja keine Grenzen gesetzt...

Also, falls ihr manchmal ein schlechtes Gewissen habt, seht ihr, dass es ganz normal ist. Und so ein richtiges Patentrezept, um damit super klarzukommen, habe ich auch noch nicht gefunden. Aber ich arbeite daran und vielleicht ist der eine oder andere Mini-Tipp ja auch was für euch.
Habt einen gesunden Start in den Frühling und starke Nerven, falls das noch nicht sofort klappt. Denn ihr wisst ja...

...it goes on!
Josie
(Quelle: unbekannt)